5 Missverständnisse über Quantencomputer (Teil 1 von 2)

In den Nachrichten wird viel über Quantencomputer und Quantentechnologie berichtet. Aus jeder Social-Media-Plattform wird es rausposaunt, quasi alle Medien berichten drüber. Die Berichterstattung ist enorm, die Investitionen von Unternehmen und Regierungen sind außerordentlich und die Erwartungen natürlich ebenso. Und dementsprechend vielschichtig sind auch die Überschriften, welche man findet.

In den Artikeln oder auch in Produktbeschreibungen wird versprochen, dass Quantencomputer alles andere in den Schatten stellen wird. So zum Beispiel die Futurezone

“Quantencomputer rechnen schneller als jeder Computer zuvor.”

Oder dass die neue Technologie alles verändern wird, wie das IT-Finanzmagazin berichtet.

So wird Quantencomputing die Zukunft der Finanzbranche verändern

Und natürlich darf nicht fehlen, dass man auch über die negativen Seiten der Quantentechnologie berichtet und neue Ängste schürt (aus T3N)

Experte warnt: Quantencomputer können „jedes Blockchain-Sicherheitssystem untergraben“

Einige dieser Schlagzeilen sind zum Teil richtig, andere sind wieder übertrieben. Aber lassen Sie mich versuchen, einige dieser Missverständnisse auszuräumen. Ich greife mir hier die meiner Meinung nach fünf gängigsten Missverständnisse raus und versuche diese zu (er)klären. Diese fünf Punkte sind weder die wichtigsten noch ist diese Liste vollständig (mehr auf meine Git-Repository https://github.com/gottfriedsz/falsehoods-quantum), aber es sind meiner Meinung nach die, die man am öftesten liest.

Quantum falsehoods auf diesen Blog: Manche Quantum Falsehoods hab ich auf LinkedIn publiziert, einen kleinen Ausschnitt findet man aber z.b. auch hier in diesem Artikel über Quantum Falsehoods.

1. Quantencomputer sind schneller als normale Computer

Die Geschichte geht normalerweise so: normale Computer verwenden Bits, die nur 0 oder 1 darstellen können. Quantencomputer dagegen verwenden Qubits, welche zwei interessante Eigenschaften haben:

  1. Die erste ist die Überlagerung, auch bekannt als Superposition, die es den Qubits ermöglicht, sich gleichzeitig im Zustand 0 und 1 zu befinden.
  2. Der zweite Effekt ist, dass Qubits verschränkt werden können und sich gegenseitig beeinflussen können. Diesen Effekt nennt man auch Entanglement.

Diese verschränkten Qubits in einem Überlagerungszustand können (vereinfacht erklärt) alle Eingabemöglichkeiten gleichzeitig berechnen und verhalten sich daher wie ein klassischer Computer mit unendlich vielen Prozessoren.

Soweit die allgemeine Erklärung, welche aber einen wichtigen Punkt ignoriert: dass Quantencomputer auf Grund der zugrundeliegenden Physik nicht beim ersten Rechendurchlauf ein fertiges Ergebnis liefern können, sondern eine Berechnung muss oft durchgeführt werden. Oft viele tausende Mal bevor man ein gesichertes Ergebnis hat. Hier kann es also durchaus passieren, dass ein Quantencomputer ein Problem zwar schneller lösen kann, aber durch die notwendigen oftmaligen Berechnungsdurchläufe es in Summe wieder länger dauert.

Aber der Vorteil von Quantencomputern liegt nicht unbedingt darin schneller zu sein, sondern Probleme überhaupt lösen können. Und das bringt uns gleich zum nächsten Punkt.

2. Quantencomputer werden klassische Computer ersetzen

Ein Quantencomputer kann bestimmte Probleme viel schneller als ein normaler Computer lösen. Quantencomputer können Lösungen ermitteln, für die ein klassischer Computer wie er zu Hause oder auch in einem Rechenzentrum steht, nicht geeignet ist. Dazu teilt die Informatik Probleme dazu in unterschiedliche Komplexitätsklassen ein.

Komplexitätsklassen beschreiben im Grunde, wie schwer ein Problem zu lösen ist. Die unter Informatikern wohl bekanntesten Klassen sind wohl die P und die NP (es gibt natürlich viele mehr, aber die Details spar ich hier aus). Die Komplexitätsklasse P steht dabei für Probleme, welche relativ einfach durch Programme gelöst werden können. Komplexitätsklasse NP beinhaltet Probleme, welche man nicht in endlicher Zeit deterministisch lösen kann. Hier muss man verschiedene Möglichkeiten abtesten und verifizieren, ob ein gültiges Ergebnis gefunden wurde. Im Grunde durch Versuch-und-Irrtum.Aufgaben aus der ersten Klasse können hervorragend mit herkömmlichen Computern gelöst werden. Das sind zum Beispiel Aufgaben wie eine Email schreiben, im Internet surfen, Wordle spielen oder auch ein Model einer AI zu trainieren.

Aufgaben aus der ersten Klasse können hervorragend mit herkömmlichen Computern gelöst werden. Das sind zum Beispiel Aufgaben wie eine Email schreiben, im Internet surfen, Wordle spielen oder auch ein Model einer AI zu trainieren.

An Problemen aus der Klasse NP scheitern aktuelle Computer, da hier der Rechenaufwand schnell die vorhandenen Rechenkapazitäten überschreiten. Das sind zum Beispiel Herausforderungen wie das Problem des Handlungsreisenden oder auch das Problem, einen Rucksack zu packen.

Quantencomputer können dank Qubits gut Probleme aus NP lösen und sind daher mehr eine Ergänzung zu den bisherigen Computern. Quantencomputer eröffnen damit einen Weg, dass man manche Probleme überhaupt erst lösen kann, woran sich die klassischen Computer die Zähne ausgebissen haben.

3. Die Quantentechnologie ist noch nur Theorie

Die Quantentechnologie ist nicht länger nur graue Theorie oder reine Science Fiction. Viele Unternehmen bieten bereits Zugang zu ihren verschiedenen Quantencomputern an, darunter auch viele Bekannte wie z.B. IBM, Amazon, Rigetti, D-Wave,…

Da die derzeit verfügbaren Quantencomputer immer noch technisch sehr aufwendig sind und in Anschaffung wie auch Betrieb sehr teuer sind, sind diese meist nur in der Cloud verwendbar. Ausführungen wie von IBM stellen bereits 127 Qubits für Berechnungen zur Verfügung, welche für Berechnungen verwendet werden können. Kostenlos sind nach Registrierung Systeme mit bis zu 7 Qubits, welche für einfache Experimente und erste Schritte ausreicht.

Neben den Systemen wie von IBM, welche auch als universelle Quantencomputer bezeichnet werden, weil sie dank freier Programmierung beliebige Probleme lösen können, gibt es noch Quantencomputer, welche den Ansatz von Quantum Annealing verwenden.

Diese Computer sind für das Lösen von Optimierungsproblemen geeignet und finden aktuell Einsatz im Finanzbereich, Produktion, Logistik oder auch Pharma-Bereich. Statt hier ein Programm vorzugeben, welches abgearbeitet wird, werden bei Quantum Annealing die Probleme in mathematischen Formeln beschrieben, für welche dann Lösungen gefunden werden. Im Unterschied zu klassischen Computern werden nicht alle Möglichkeiten nacheinander ausprobiert, sondern alle “gleichzeitig”. Dadurch können Lösungen viel schneller gefunden werden.

Kleine Brüder von den großen Quantencomputern gibt es sogar für zu Hause. SpinQ bietet kleine Varianten in der Größe eines herkömmlichen Desktoprechners zum Kauf an. Diese haben aktuell zwar nur 2 bzw. 3 Qubits, aber es ist ein erster Schritt.

https://www.spinquanta.com/

To be continued…

Wer mitgezählt hat, wird gemerkt haben, dass hier noch zwei Missverständnisse fehlen. Der zweite Teil wird demnächst hier publiziert werden und dieser behandelt dann die zwei letzten Inhalte “Quantencomputer werden das Internet zerstören” und einer allgemeinen Übersicht zu Anwendungen von Quantentechnologien abseits von Quantencomputern.

Dieser Beitrag war ursprünglich ein Gastbeitrag bei t2Informatik und ist dort unter dem Link https://t2informatik.de/blog/5-missverstaendnisse-bei-quantencomputern/ abrufbar. Demnächst wird dort ein weiterer Gastbeitrag von mir erscheinen, welcher sich um das Thema Business Analyse & Security dreht. Als langjährig tätiger Business Analyst mit einem Interesse an Security & Privacy ist es mir ein Anliegen, dass dieses Thema bereits so früh als möglich bei Projekten behandelt wird. Ihr dürft gespannt sein.

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